Studie: Wie zufrieden sind angestellte Tierärzt*innen im Beruf?

Studie: Wie zufrieden sind angestellte Tierärzt*innen im Beruf?

Foto: Pixabay.com 

(von Johanna Schmidbauer, Veterinärjournalistin)

In einer Online-Pressekonferenz am 25.03.2021 haben der „Bund angestellter Tierärzte“ (BaT) und der „Verbund unabhängiger Kleintierkliniken“ (VuK) ihre gemeinsame Studie zu den Arbeitsbedingungen und der Berufszufriedenheit angestellter Tierärzt*innen vorgestellt. Beide Seiten betonten dabei die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen. An der Studie hatten etwa neun Prozent aller angestellten Tierärzt*innen in Deutschland teilgenommen.

Durch die Online-Befragung zwischen März und Oktober 2020 mit 1414 Teilnehmenden traten einige neue Ergebnisse zutage. Das Besondere an der Studie war, dass sie von einem Arbeitnehmer- und einem Arbeitgeberverband gemeinsam getragen wurde. Für den Arbeitnehmerverband BaT – der mittlerweile über 600 Mitglieder hat – waren auf der Pressekonferenz die beiden Vorsitzenden Christian Wunderlich und Elisabeth Brandebusemeyer anwesend. Der VuK, für den Dirk Remien (Präsident) und Sabine Schulte-Bahrenberg (Geschäftsstellenleiterin) dabei waren, vertritt 28 Kliniken mit über 1000 Mitarbeiter*innen.

Epidemiologin Dr. Charlotte Jensen hat die Umfragedaten wissenschaftlich analysiert und stellte die statistische Auswertung auf der Pressekonferenz vor. Eine dementsprechende Publikation wird in Kürze erfolgen. Über 140 Konferenz-Teilnehmende ließen auf ein reges Interesse an der Umfrage schließen.

Aufbau der Studie

Da der Trend zu größeren Praxen und Tierkliniken anhält, gibt es auch zunehmend mehr angestellte statt selbständige Tierärzt*innen. Durch den Tierärztemangel haben Arbeitgeber*innen zunehmend Schwierigkeiten neue Mitarbeiter*innen zu finden. Der Wandel hin zu einem Arbeitnehmermarkt, bei dem die Arbeitgeber um Mitarbeiter werben müssen, bedeutet aber auch, dass insbesondere traditionell verhaftete Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Arbeitgeberattraktivität und positive Unternehmenskultur sind im Berufsfeld der Tiermedizin angekommen. Ein Ziel der Studie lag deshalb darin herauszufinden, welche Maßnahmen vor allem von Arbeitgeber*innen-Seite nötig sind, um die Zufriedenheit bei angestellten Tierärzt*innen zu verbessern.

Das Studiendesign war darauf ausgelegt alle Arbeitsfelder angestellter Tierärzt*innen mit einzubeziehen, die ca. 51 Prozent aller tierärztlich Tätigen ausmachten. Etwa 9 Prozent davon nahmen an der Studie teil.

Leicht überrepräsentiert waren in der Studie die Praktiker*innen gegenüber den beamteten und in der Industrie angestellten Tierärzt*innen. 88 Prozent der Befragten waren weiblich, 90 Prozent im Alter zwischen 25 und 41 Jahren. Dadurch war also die durchschnittliche Berufserfahrung recht niedrig, fast zwei Drittel der Studienteilnehmer*innen hatte maximal fünf Jahre Berufserfahrung. Remien bemerkte, dass dies die Berufsgruppe sei, bei der die schlechtesten Arbeitsbedingungen herrschen würden, weshalb die Ergebnisse die Realität dieser Gruppe gut aufzeigen würde.

Arbeitszeiten und Schichtdienste

Gut die Hälfte der kurativ tätigen Umfrageteilnehmer*innen war im Kleintierbereich angestellt und von diesen wiederum arbeiteten 70 Prozent in Vollzeit. Eine vertraglich festgelegte Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden pro Woche hatte im Kleintierbereich lediglich 1 Prozent, im Pferde- und Nutztierbereich hingegen betraf dies 8 bis 11 Prozent. Dazu meinte Wunderlich, das gehöre unbedingt abgeschafft. Immerhin gibt es schon seit 2014 das Arbeitszeitgesetz, welches solche Arbeitsbedingungen verbietet.

Bei den Schichtdiensten gab es ebenfalls hauptsächlich im Pferde- und Nutztierbereich Schwierigkeiten. Remien kommentierte, es sei zu viel, wenn 20 Prozent der Befragten angaben, dass sie acht oder mehr Nachtdienste pro Monat leisten müssten.

Ein großes Problem stellt offensichtlich die Einhaltung von Arbeitszeiten und Ruhezeiten dar. Hier gab es Verstöße von 40 Prozent (Kleintier) bis 80 Prozent (Pferde). Für Überstunden erhielt nur gut die Hälfte der Befragten einen Freizeitausgleich und ein Fünftel eine Ausbezahlung, viele erhielten gar keinen Ausgleich. Für dieses Problem sei unbedingt eine (gesetzlich vorgeschriebene) Arbeitszeiterfassung notwendig, so Wunderlich, denn: „Ausgebrannte Mitarbeiter bringen nichts.“

Verdienst und Extras

Beim Gehalt ist vieles immer noch Verhandlungssache, wodurch der Arbeitslohn je nach Arbeitgeber*in recht große Spannweiten aufweist. Durchschnittlich hatten die Befragten im kurativen Bereich einen Bruttostundenlohn von knapp 22 Euro, im nicht-kurativen Bereich über 25 Euro. 1,5 Prozent der Teilnehmenden erhielten eine Bezahlung unter Mindestlohn, was Brandebusemeyer und Schulte-Bahrenberg als absolutes und gesetzeswidriges No-Go bezeichneten.

Überrraschend war, dass es keine nennenswerten Auswirkungen auf den Lohn hat, welche Tierart behandelt wird. Dies hatte sich in früheren Studien noch anders dargestellt, in denen der Lohn im Pferde- und Nutztierbereich deutlich höher lag als bei den Kleintieren. Erwartungsgemäß erhalten qualifiziertere und berufserfahrenere Tierärzt*innen höhere Löhne. Ein echtes Problem allerdings ist der immer noch vorhandene Gender Pay Gap. So verdienen Männer bei gleicher Qualifikation durchschnittlich 3,59 Euro pro Stunde mehr als ihre Kolleginnen, was durch einen Tarifvertrag geändert werden könnte.

Zuschläge für Schichtdienste und Überstunden sind eher rar. Ein Viertel der Umfrageteilnehmer*innen erhielt keinerlei Zusatzleistungen, weder Zuschläge noch Weihnachtsgeld oder ähnliches. Auch beim Thema Fortbildungen sieht es dürftig aus. Das Fortbildungsbudget ist meist gering und ein Fünftel der angestellten Tierärzt*innen erhält keine Fortbildungstage. Brandebusemeyer merkte an, dass die fehlende Unterstützung für Fortbildungen im Widerspruch zur höheren Bezahlung für qualifizierte Arbeitskräfte stehe.

Hierzu erklärte Schulte-Bahrenberg, das Fortbildungsbudget würde von den Arbeitnehmer*innen häufig nicht abgerufen. Der Fokus von Seiten der Angestellten läge sehr oft auf dem Nettogrundgehalt und nicht auf Zusatzleistungen. Dennoch gebe es bei den Zusatzleistungen noch Steigerungspotenzial. Keine nennenswerten Unterschiede im Lohn und in den Urlaubstagen gab es im Übrigen zwischen Einzelpraxen, Kliniken und Ketten. Auch dies eine positive und überraschende Erkenntnis aus der Umfrage.

Zufriedenheit und Arbeitsatmosphäre

Der vermutlich heikelste Faktor für die Abwanderung von Arbeitnehmer*innen ist die Unzufriedenheit, die sehr stark von der Kommunikation und Atmosphäre innerhalb einer Praxis oder Klinik abhängig ist. Auf einer Skala von 1 bis 5 wurde die Berufszufriedenheit im Kleintiersektor von weniger als der Hälfte der Befragten mit gut oder sehr gut bewertet. Bei den Pferdepraktiker*innen lag die Zufriedenheit sogar noch geringfügig darunter, bei den Nutztierärzt*innen leicht darüber. Hingegen bewerteten Angestellte im nicht-kurativen Bereich ihre Berufszufriedenheit wesentlich besser, ein Viertel sogar als sehr gut.

Mit der Arbeitsatmosphäre waren nur 30 Prozent der angestellten Tierärzt*innen im kurativen Bereich zufrieden. Obwohl viele ihre Arbeit gerne machten, gab es eine Menge an Verbesserungswünschen. Besonders wichtig war den meisten, dass sie mehr Feedback erhalten und offener mit Problemen umgegangen wird. Dazu sagte Schulte-Bahrenberg, die Arbeitgeber*innen müssten auf jeden Fall professioneller im Umgang mit ihren Mitarbeiter*innen werden. Dies sei in großen Kliniken teilweise schon besser, weil zunehmend das Praxismanagement als Bindeglied zwischen Mitarbeiter*innen und Arbeitgeber*innen eingeführt werde.

Abwanderung von Tierärzt*innen in nicht kurative Bereiche

Obwohl sich seit den beiden Umfragen von 2016 (Johanna Kersebohm) und 2006 (Bettina Friedrich) ein deutlich positiver Trend abzeichnet, haben schlechte Arbeitsbedingungen noch immer einen großen Einfluss und senken die Begeisterung für den Beruf. Dabei sind die ersten fünf Berufsjahre ganz entscheidend. Brandebusemeyer richtete daher einen Appell an die Arbeitgeber*innen, negative Erfahrungen für die Arbeitnehmer*innen beim Berufseinstieg zu vermeiden, damit diese nicht die Lust am Beruf verlieren. Die Erwartungshaltung an Berufsanfänger*innen sei insbesondere bei kleineren Praxen zu hoch. Remien bekräftigte dies, indem er eine Einarbeitungszeit von 3 bis 6 Monaten als ganz normal bezeichnete. Aktuell klafft allerdings eine Lücke an erfahrenen Kolleg*innen wegen vieler Abwanderungen in den Jahren zuvor.

Eine weitere Schwierigkeit beim Wunsch nach mehr Unterstützung durch erfahrene Tierärzt*innen sahen sowohl Remien als auch Schulte-Bahrenberg in der Finanzierbarkeit. Die Personaldecke könne nur aufgestockt werden, wenn die Arbeitgeber*innen sich den finanziellen Spielraum dafür schaffen könnten, erklärte Schulte-Bahrenberg. Und Remien gab zu bedenken, dass die Frustrationsrate bei manchen Arbeitgeber*innen auch relativ hoch sei. Es gebe leider auch Arbeitnehmer*innen, die vieles nicht zu schätzen wissen und ständig auf der Suche nach Alternativen, nach etwas Besserem seien. Die Bereitschaft, Arbeitgeber*innen zu wechseln, sei heute um einiges höher als früher.

Die Zukunft liegt im Miteinander

Deutlich ist, dass zu den Arbeitsbedingungen wesentlich mehr gehört als nur Arbeitszeit und Gehalt. Selbst wenn diese beiden Faktoren stimmen, bedeutet das noch nicht, dass Angestellte zufrieden sind. Denn Berufszufriedenheit ist in großen Teilen auch von „Wohlfühlkomponenten“ abhängig, die vor allem durch das Unternehmensklima bestimmt werden und nicht in Tarifverträgen abgebildet werden können. Starre Hierarchien sind ein Relikt aus der Vergangenheit – heute ist ein moderner Umgang mit den Mitarbeiter*innen gefragt. Dieser Wandel kommt allmählich auch in der Tiermedizin an. Sämtliche Verbandsvertreter*innen waren sich darin einig, dass es mehr gegenseitige Wertschätzung, Achtung und Kompromissbereitschaft braucht, und dass die tierärztliche Zukunft im Miteinander liegt. Remien wünscht sich außerdem für alle Tierärzt*innen ein wenig Berufsreflexion und Positivität: „Wir haben einen verdammt tollen Job!“

Weitere Informationen

Autorin: Johanna Schmidbauer, Veterinärjournalistin
Datum: März 2021
Quellen:
Pressekonferenz am 25.03.2021 vom „Bund angestellter Tierärzte“ (BaT) und „Verbund unabhängiger Kleintierkliniken“ (VuK) zur Umfrage „Arbeitsbedingungen und Berufszufriedenheit angestellter Tierärzt:innen in Deutschland 2020“
Bund angestellter Tierärzte www.bundangestelltertieraerzte.de (Abruf März 2021)
Verbund unabhängiger Kleintierkliniken www.vuk-vet.de (Abruf März 2021)
Kersebohm, J.: Praktiker im Wandel: Untersuchung der Arbeitsbedingungen und Zufriedenheiten praktizierender Tiermediziner in Deutschland (2016), Dissertation Freie Universität Berlin 2018
Bundestierärztekammer e.V. (BTK): Statistik 2018: Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Deutsches Tierärzteblatt 6/2019 S. 800-810, www.bundestieraerztekammer.de (Abruf März 2021)